Sonntag, 31. Januar 2016

Ein schmaler Grad zwischen Anpassung und Individualitätsverlust?

Im vorigen Post habe ich euch mit traditioneller indischer Kleidung und Accessoires vertraut gemacht. Und der Blick in den Spiegel verrät, dass ich meinen Kleidungsstil weites gehend dem Indischen angepasst habe. So trage ich eine Churidar mit Leggins und einem Schal sowie Ohrringe, einen Bindi und meine Haare sind zu einem Zopf zusammengebunden. 
Oftmals wurde ich bereits von Freunden und Familie angesprochen, ob ich mir nicht verkleidet vorkomme oder mich gar in meiner Individualität eingeschränkt fühle. Seit knapp fünf Monaten stelle ich mir immer wieder eben diese Fragen. Zu Beginn hat sich die Kleidung auf jeden Fall sehr fremd angefühlt, insbesondere in den Pluderhosen kam ich mir seltsam vor und ständig ist mir der Schal ins Gesicht geweht oder ich bin irgendwo hängen geblieben. Mit der Zeit bin ich von Pluderhosen auf Leggins umgestiegen, wodurch ich mich mit dem neuen Look schon deutlich mehr anfreunden konnte. In den Goldschmuck habe ich mich schnell verliebt und ihn von Beginn an gerne getragen. Auch wenn mir der Schal auch heute noch Schwierigkeiten bereitet, - ich vergesse ihn oftmals und schaffe es nach wie vor jede Kante zu finden, um daran hängen zu bleiben - kann ich die Frage nach der eingeschränkten Individualität klar mit nein beantworten. 
Natürlich "Kleider machen Leute", aber sagen ein paar Stücke Stoff wirklich etwas über unseren Charakter und unsere inneren Werte aus? Auch diese Frage kann ich für mich persönlich klar mit nein beantworten. Im Endeffekt ist es egal, ob ich nun Jeans mit T-Shirt, eine Churidar mit Schal oder ein knappes Cocktailkleid mit Pumps trage. Ich bleibe immer noch ich, egal welche Art von Stoff in welchem Stil meinen Körper umhüllt. 
Das ist Fakt, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich meine Klamotten und Schuhe aus Deutschland vermisse, dass ich die Kleidungsauswahl am Morgen vermisse, dass ich kurzum ein geliebtes Stück Freiheit vermisse. Wiederum muss ich sagen, dass ich mich in Vailankanni aber auch keineswegs in großartig anderer Kleidung als in Churidar oder Sari vorstellen kann. Ich lebe hier in einer Gemeinschaft, tauche immer weiter in eine mittlerweile schon vertraute Kultur ein und würde ich hier westliche Kleidung auf der Straße tragen, ja dann würde ich mir definitiv verkleidet vorkommen. Es ist ein gutes Gefühl hier angekommen zu sein und als eine von vielen wahrgenommen zu werden. Das ist allgemein eine Sache, die ich hier lieben gelernt habe, trotz anderer Herkunft, Religion und Hautfarbe, geben die Menschen mir hier das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Letztlich ist es unbedeutend was ich trage, denn das Herz unter den Stoffbahnen bleibt doch das Gleiche. 


kurzer, westlicher Kleidung 

Ob mit offenen Haaren,


Ich bin immer noch ich!
oder in Churidar mit Schal -

Indiens farbenfrohe Welt der Textilien

Eines der Sachen, die ich schon vor meinem Aufenthalt mit Indien in Verbindung gebracht habe: farbenfrohe und variationsreiche Kleidung! Doch es sieht nicht nur wunderschön aus, wenn eine indische Frau in ihrem bunten Gewand das Landschaftsbild der kargen und trockenen Wüste verzaubert. Es steckt bei Weitem viel mehr dahinter! Die Kleidung einer indischen Frau spiegelt ihre Herkunft, ihre religiöse Bindung und die soziale Stellung wieder.

Als erstes möchte ich euch ein paar "typische" Kleidungsstücke der indischen Frau vorstellen. Folglich werde ich auf modische Accessoires zu sprechen kommen. Jeweils folgt eine kurze Beschreibung sowie eine knappe Erläuterung der Herkunft und der Symbolik.

Die Kleidung einer indischen Frau


Sari
Der Sari ist das traditionelle Gewand einer indischen Frau. Nicht nur in den ländlichen Gebieten, ebenso in den großen Metropolen trifft man eher selten westlich gekleidete Frauen. Lange bevor überhaupt genähte Kleidung nach Indien kam, trugen die Frauen Indiens ein umwickeltes Gewand. Nur Stoff, der mit keiner Nadel in Berührung kam, ist rein, lautete das Gebot. So besteht ein Sari aus einer einzigen Stoffbahn, die in der Regel zwischen fünf und neun Metern in der Länge misst. Man trägt ihn über einer bauchfreien Bluse, Choli genannt, und einem Unterrock. Es gibt verschiedene Arten den Sari zu binden. Die beliebteste Art einen Sari zu tragen, besteht darin, das Stoffende in den Petticoat and der Taille festzustecken, während der Großteil in fein säuberliche Falten gewickelt und oberhalb der linken Schulter festgesteckt wird. Von dort aus hängt das oftmals aufwändig bestickte und verzierte Stoffende des Saris, das Pallu oder Pallav genannt wird, am Rücken herunter. Allgemein gilt: Je kräftiger die Farben und je aufwändiger die Stickereien desto besser. 

Churidar/Salwar Kameez
Salwar Kameez, im Volksmund besser als Churidar bekannt, ist ein dreiteiliges Kleidungsstück für Frauen und Mädchen. Es besteht aus einer Pluderhose (Salwar), einer Art Tunika (Kameez) sowie einem Schal (Dupatta). Diese Kombination wird häufig als "Punjabi Dress" bezeichnet. Nach dem Sari wird die Churidar am zweit häufigsten in ganz Indien getragen. Die Kleidung hat ihren Ursprung wahrscheinlich in der arabischen und persischen Kultur und fand ihren Weg durch asiatische Einwanderer nach Indien - damit wurde erstmals genähte Kleidung in Indien eingeführt!
Die Frauen im ganzen Land bevorzugen Churidars vor allem wegen dem Tragekomfort und der Bewegungsfreiheit, die sie bieten. So hat die Kameez an beiden Seiten zwei lange Schlitze und die Pluderhose ist meistens weit am Bein geschnitten und wird mit einer Kordel an der Taille gehalten. Viele der Hosen verengen sich bereits am Knie, andere erst am Knöchel. Ohne eine Dupatta bleibt ein Salwar Kameez immer unvollständig. Diese wird lose oder als Schärpe um den Hals getragen.

Lengha Choli
Aus Rajasthan kommt eine Kombination aus Choli, Dupatta und einem langen Rock, den man Lengha Choli nennt. Lengha Cholis findet man in der Regel reichhaltig bestickt, mit schillernden Spiegeln verziert und in leuchtenden Farben vor. Dazu trägt man eine eng anliegende, bauchfreie Bluse. Vervollständigt wird das Outfit durch eine reichhaltig bestickte Dupatta, die oftmals aufwändige Muster aufweist.
Lengha Cholis kennt man aus vielen Bollywood-Filmen, da sich dieses wunderschöne und sinnliche Kostüm gut für Tänzerinnen eignet, weil man sich gut darin bewegen kann. 

Schmuck

Ohne Schmuck geht wohl kaum eine Frau in Indien vor die Tür, erst der Schmuck macht jedes Outfit vollständig. Angefangen bei dem roten Punkt auf der Stirn, der Bindi genannt wird, bis hin zu klimpernden Fußkettchen - je mehr es funkelt desto besser.
Meistens besteht der Schmuck dabei aus Gold. Dieses Edelmetall soll reinigende Wirkung haben. Außerdem hatte Schmuck (und hat vereinzelt auch noch heute) einen symbolischen Wert: Als Mitgift bei der Hochzeit war er ein Zeichen für die nun erfolgte Unabhängigkeit vom Vater. Die Mitgift einer Braut war der einzige Besitz und damit verbunden ihre finanzielle Sicherheit, die sie hatte.  

Bindi/Dot
Ein altes Hindu-Sprichwort besagt, dass sich die Schönheit einer Frau, wenn sie einen Bindi trägt, vertausendfacht. Fest steht auf jeden Fall, dass man nur wenige indische Frauen und Mädchen ohne Bindi begegnet, zumindest in den Gegenden, in denen es Hindu-Tempel gibt. Die meisten Hindus tragen einen roten Punkt, den sogenannten Dot, auf ihrer Stirn, genau zwischen den Augen. Dieser Punkt ist auch als Geistiges Auge oder Drittes Auge bekannt. Einige Sagen behaupten, dass er vor dem bösen Blick schütze, wieder andere entgegnen, dass das rote Puder (Sindhoor) eine kühlende Wirkung habe. Durch das Auftragen des Dots, solle so das darunter liegende Nervensystem gekühlt werden, wodurch sich der Geist folglich beruhige.
Heute ist der religiöse Hintergrund von Bindis jedoch meist in Vergessenheit geraten und sie werden mehr als hübsches Modeaccessoire getragen. So findet man Bindis in allen möglichen Formen und Farben. Häufig werden sie farblich auf die Kleidung der Trägerin abgestimmt. Eines steht fest: Immer sind sie ein absolutes Muss, egal ob zum Sari, zur Churidar oder zum Lengha Choli, der Bindi macht das Outfit einer Hindu-Frau erst vollständig.

Ohrringe
Ohrringe sind ein absolutes Muss bei indischen Frauen und Mädchen. Jeder trägt sie, vor allem findet man sie in Form von Glocken und Ornamenten sowie Kreolen in jeder erdenklichen Größe. Einige sind mit einer langen Kette versehen, die hinter dem Ohr im Haar festgesteckt wird und so das ganze Ohr schmückt.

Armreifen/Bangles
Die Handbewegungen von vielen Inderinnen werden von einem leisen Klingen begleitet. Oft sind es Unmengen von metallischen Armreifen, die das Handgelenk und den Unterarm schmücken. Man findet sie aber auch aus anderen Materialien wie z. B. Holz, Glas oder Plastik. Es wird besagt, dass die Bangles den Träger behüten und ein Wächter über den Ehemann sein sollen.

Halskette/Necklace
Halsketten sind ein weiteres beliebtes Modeaccessoire bei indischen Frauen und Mädchen. Ebenso wie Armreifen sind sie in diversen Materialien vorzufinden, von Glas über Gold bis hin zu Diamanten. Im Alltag werden vor allem kleine, filigrane Ketten getragen und auf Festen aufwändig verarbeitete, die das gesamte Dekollté bedecken.

Nasen-Piercing/Nose Pin
Ob ein Stecker oder einen Ring in der Nase, so ziemlich jede Frau und jedes Mädchen, denen man in Indien begegnet, tragen einen Nasen-Piercing. Was heute hauptsächlich Modeschmuck geworden ist, galt insbesondere früher als Zeichen für Reinheit und Heirat.

Tikka
Eine Tikka, der Haar- bzw. Stirnschmuck einer Frau, gehört in Indien zum traditionellen Brautschmuck. Aber auch auf Festlichkeiten oder bei Tänzerinnen sieht man diesen modischen Schmuck in etwas schlichterer Form. Befestigt wird die Tikka mit Haarklammern. Um ein Verrutschen bei Tänzerinnen zu verhindern, wird sie zusätzlich mit doppelseitigem Klebeband fixiert.

Fußkettchen und Zehenringe 
Die Fußkettchen sind überwiegend aus Silber, weil Gold - "reines" Metall - nicht an den Füßen getragen werden soll. An vielen Fußkettchen sind kleine Glöckchen befestigt, die beim Laufen nur so Klimpern. Auch sie gibt es in diversen Variationen, einige sind schlicht, andere mit Glitzersteinchen verziert.
Das Tragen von Zehenringen ist weit verbreitet in Indien. Zehenringe sind in der Regel aus Silber und werden vorwiegend jeweils am zweiten Zeh and beiden Füßen getragen. Im Hinduismus gelten sie als Zeichen der verheirateten Frau. Heute sieht man sie jedoch auch an den Füßen unverheirateter Frauen und Mädchen, die sie als Modeschmuck tragen.

Henna/Mehendi
Nicht nur Schmuck ist modisch sehr beliebt, auch kunstvoll auf die Haut aufgetragenes Henna findet große Beliebtheit, besonders bei den Mädchen Indiens. Meistens trägt man sie Ornamente in den Handflächen oder an den Füßen, was als Mehendi bezeichnet wird.


Montag, 7. Dezember 2015

Der Junge mit dem pinken Fahrrad

Der Junge mit dem pinken Fahrrad


Genervt versuchte ich die kleinen Fliegen vor meinem Gesicht zu verscheuchen.  Die Sonne knallt auf die Straße und die schwüle Luft trägt die Hitze bis zu den Stufen vorm Officegebäude. Dort sitzen wir jetzt schon wieder seit einer dreiviertel Stunde und warten, dass es endlich losgeht in die Stadt, aber die Inder haben es scheinbar wirklich nicht so mit Pünktlichkeit. Das WLAN geht auch gerade nicht, also versuchen wir uns irgendwie zu beschäftigen. Ich zähle die Mückenstiche an meiner rechten Hand. Sind zwar super viele, bin aber doch recht schnell damit fertig. Also starre ich nach draußen, beobachte das Treiben auf der Hauptstraße vor uns. Bunte, prallgefüllte Busse,  Büffel, Kühe, Ziegen, viele Motorräder, Fußgänger, viele Fahrradfahrer. Plötzlich fällt mir ein Fahrradfahrer besonders auf. Ein kleiner Junge, vielleicht  10,12 Jahre alt. Sein Rucksack ist halb so groß wie er selbst, sein Lächeln auch.  Er sitz auf einem knallpinken Fahrrad mit Blümchen drauf, so eins, wie ich es mir früher immer gewünscht habe.
Würde man sowas wohl in Deutschland sehen, frage ich mich? Einen Jungen, der mit so viel Stolz auf einem Mädchenrad durch die Gegend fährt. Denn pink hin oder her, es ist ein Fahrrad. Und er kann damit herumfahren – das alleine scheint ihn schon glücklich zu machen.
Und unwillkürlich überkommt mich wieder dieses Gefühl, dass die Menschen hier irgendwie zufriedener und glücklicher zu sein scheinen. Während ich das schreibe komme ich mir blöd vor, so zeigefingererhebend und „ich erzähl euch griesgrämigen Deutschen jetzt mal wies richtig geht“-mäßig.
Aber es ist nun mal so; wenn man einkaufen geht, gibt es eben nur die 5 Sorten Obst und Gemüse und wenn überhaupt nur den einen Käse (den gefühlt außer uns sowieso niemand kauft), aber das ist gar nicht schlimm. Trotzdem muss ich mir eingestehen, dass ich eine Weile gebraucht habe mich daran zu gewöhnen. Ich bin einer dieser Menschen, die, Schande über mich, auch im letzten Dezember noch Erdbeeren gekauft haben.
Würde ich mich selbst auf eine Diät setzen und mir Pizza, Schokolade oder was weiß ich was verbieten, ich wette es fiele mir echt schwer mich daran zu halten. Hier ist es überhaupt kein Problem, dass solche Sachen nicht, oder nur kaum erhältlich sind und sie fehlen nicht mal so. Normalerweise heißt es doch immer: Man will das, was man nicht haben kann.
Ich habe das Gefühl, ich will eher  das, was ich nicht haben sollte – wenn ich es nicht haben kann ist das hingegen echt okay. (Abgesehen von Lasagne, die vermiss ich unendlich, davon kann Lisa und jeder der mal mit mir geskypet hat ein Lied singen)
Eigentlich möchte ich mit diesem Post zum nachdenken anregen über das Thema, das mir zurzeit ständig im Kopf rum spukt. Ich kann zufrieden sein mit Einfachem. Warum bin ich damit nicht mehr zufrieden, sobald noch mehr verfügbar ist? Warum fällt es oft so schwer einfach zufrieden und glücklich zu sein damit, dass man überhaupt was hat?
Ich glaube ich habe das hier gelernt, das „Einfach zufrieden sein“.
Verlernt man das aber wieder, sobald man nächsten Winter in Deutschland vor den Erdbeerschälchen im Supermarkt steht?
Aber es geht nicht alleine ums zufrieden sein, es geht auch darum die Sachen zu schätzen. Viele unserer Schüler und Studenten gehören zur armen Landbevölkerung. Trotzdem sehen sie jeden Tag ordentlicher aus als ich; ihre Kleidung ist sauber und ordentlich. Sie passen auf jeden Kugelschreiber und jede Haarklammer auf. Sie schätzen was sie haben, pflegen es und passen darauf auf.
Das muss ich unbedingt noch von ihnen lernen.

(Hannah)
ein indischer Laden



Montag, 2. November 2015

Our personal places to be

In diesem Post möchten wir gerne bedeutende Orte und Plätze mit euch teilen. Um einen Eindruck von unserem Freizeitleben zu übermitteln, findet ihr hier Kurzbeschreibungen mit persönlichen Eindrücken, Fotos und Audioaufnahmen von Orten, die auf die eine oder andere Art eine wichtige Rolle für uns spielen. Nach und nach werden wir diesen Post um weitere Kurzeinträge ergänzen. Wir wünschen viel Spaß beim Hören, schauen und lesen!



Main Road in Velankanni

So ziemlich jeden Tag laufen wir auf ihr entlang, der Hauptstraße, an der das Ausbildungscenter gelegen ist und sich unser Zuhause in Indien befindet. Links und rechts von uns erstrecken sich Wiesen, Felder und Wälder sowie zahlreiche kleine Läden, in denen man von Essen über Motoröl hin zu Rasierern alles Mögliche kaufen kann. Oftmals trifft man auch auf einzelne Straßenverkäufer, die warme Speisen und Obst verkaufen. Besonders freuen wir uns immer, wenn Kokosnüsse oder Granatäpfel verkauft werden, denn bei den warmen Temperaturen ist das eine unfassbar angenehme Erfrischung.

Anfänglich hatte ich noch mit all dem Müll zu kämpfen, der am Straßenrand verteilt liegt. Heute ist es schon Teil des Landschaftsbildes geworden und ich nehme diesen nur noch vorwiegend durch den leicht stechenden Schmerz in der Lunge wahr, wenn der Müll verbrannt wird.


Blick von oben vor einem Festival
Derzeit beobachten wir eine Baustelle und sind immer wieder davon angetan wie schnell es hier vorwärts geht. Besonders beeindruckt bin ich von drei Frauen, die in ihren wunderschönen Saris all die schweren Backsteine mit einer schieren Leichtigkeit auf ihrem Kopf hin zu den Arbeitern tragen. Dabei strahlen sie Stolz und Würde aus, so dass mir dieser Anblick jedes Mal aufs Neue ins Herz geht und mich lächeln lässt.

Einige Meter entlang der Straße stößt man auf eine große Kreuzung: Geradeaus geht es weiter nach Nagapattinam, der nächst größeren Stadt, in der wir häufig am Wochenende sind, um Einkäufe zu erledigen, und links geht es weiter ins Zentrum von Velankanni. An dieser Kreuzung herrscht viel Leben, hier tummeln sich mehrere Läden und kleine Hotels auf engem Raum, von hier fahren Busse in die umliegenden Städte, ein Rikschastand befindet sich auf der Ecke sowie einer der zahlreichen Tempel, aus dem an Feiertagen wunderschöne Musik erklingt. Kurzum: Hier spielt sich ein Großteil unserer Freizeit ab und das ist der Ort, der sich ein Stück weit nach Heimat in Indien anfühlt, denn hier kennen wir uns aus, hier begegnen wir bekannten Gesichtern und fühlen uns als Teil der Gesellschaft.
(Lisa)



Dachterrasse

Die Dachterrasse wird wahrscheinlich immer mit zu bedeutsamsten Orten für mich in Indien zählen. Hier habe ich die glücklichsten sowie die traurigsten und schwersten Momente durchgestanden.

Mit dem Blick ins Grüne, aufs Wasser oder die Hauptstraße, dies ist der Platz an dem ich einfach ich selbst sein kann. Hier mache ich morgens oft Yoga und genieße einfach den Sonnenschein. Nach einem langen und anstrengenden Tag bietet es für mich die perfekte Location, um zu tanzen. All die angesammelten Emotionen vom Tag lege ich in den Tanz und genieße dabei den Wind, der mir durch die Haare weht.

Sonnenuntergang von der Dachterrasse aus
Außerdem ist dies der Ort, an dem ich völlig zur Ruhe komme, ich genieße die Stille am Abend: hier und da ein Hupen von der Hauptstraße oder das Vernehmen leiser Musik aus dem nahegelegenen Tempel, ansonsten Stille. Ich beobachte den Sonnenuntergang, genieße den Anblick wie sich der Himmel rot verfärbt und lasse meine Gedanken in die Ferne schweifen. Diese widme ich ganz besonderen Menschen, die mir helfen auch die schweren Tage gut durchzustehen, die die schönen und traurigen Momente mit mir teilen, die die mir trotz all der vielen Kilometer doch so nah sind.

Nach Anbruch der Dunkelheit liege ich oftmals da, höre Musik und bin immer wieder aufs Neue überwältigt. Ich werde ganz klein als gäbe es nur den Himmel, meine Gedanken und mich. Über mir strahlen der Mond und die Sterne so hell wie ich es noch nie gesehen habe. Hin und wieder beobachtet man schließlich noch atemberaubende Sternschnuppen und genießt einfach den Moment. Für mich ist es einfach der perfekte Ort, um das Geschehene der letzten Tage, Wochen, Monate oder Jahre Revue passieren zu lassen und zu verarbeiten. Hier finde ich immer wieder zu mir selbst und schöpfe jede Menge neue Kraft.
(Lisa)




Samstag, 10. Oktober 2015

Let's have a Look behind the Scenes


Seit genau 53 Tagen leben und arbeiten wir nun in der indischen NGO Peace Trust, genauer in einem Berufsausbildungszentrum – Vocational Education and Employment Centre. Einzelheiten dazu könnt ihr gerne unter “Unser Projekt” nachlesen.

Kaum sind die ersten Wochen vergangen, haben wir ohne es zu bemerken auch schon die Integrationsphase erfolgreich hinter uns gebracht wie uns unsere externe Mentorin kürzlich bei einem Besuch mitgeteilt hat. Also wir können jedenfalls sicher sagen, dass wir schon jede Menge gelernt haben, ob bewusst – unbewusst, gewollt – ungewollt oder ausgeschlafen – unausgeschlafen! Jedenfalls sind wir im Alltag angekommen und haben einen festen Wochenplan:


Unsere Woche besteht aus einer guten Abwechslung zwischen dem Unterrichten von Englisch und PR- sowie Dokumentationsarbeit. Jeweils zwei Mal wöchentlich unterrichten wir „Spoken English“ in den Kursen Catering, DTP (IT) und der Open School. Aufgrund der fehlenden Tamil Kenntnisse haben wir uns hier anfangs vor einer nur schwer zu bewältigenden Aufgabe gesehen, doch bereits jetzt sind erste Fortschritte bei den Auszubildenden und Schülern erkennbar und mit jedem neu gelernten Wort, jeden neu gesprochenen Satz steigt die Motivation der Schüler und natürlich unsere eigene.

Allgemein bekommen wir mit der Zeit ein immer besseres Gespür dafür wie wir Lerninhalte leicht verständlich übermitteln können, ob durch Memory, Pantomime, Galgenmännchen oder Rollenspiele – die Devise lautet: sei so kreativ wie möglich und versuche dich in die andere Seite hineinzuversetzen. Denn das indische Schulsystem unterscheidet sich enorm von dem Deutschen und um langfristige Erfolge erreichen zu können, werden wir in den nächsten Wochen indische Schulen besuchen und die verschiedenen Lernmethoden kennenlernen. Außerdem planen wir für die Zukunft einen Austausch zwischen indischen und deutschen Lehrern, um so einen interkulturellen Dialog zu fördern, in dem sich beide Seiten verstärkt über das Thema Bildung austauschen können.

Daneben hat jeder von uns seine festen Aufgaben im Office. Zu Hannahs Aufgaben zählt z. B. das Sammeln von Kursberichten sowie monatlichen „Actionplans“ und Lisa ist unter anderem für das Erstellen von Studentenprofilen verantwortlich. Im Team erledigen wir viele anfallende PR-Aufgaben, da wir festgestellt haben, dass unsere besten Ideen immer in Teamarbeit entstanden sind und wir uns mit unterschiedlichem Know-how gut ergänzen. Beispielsweise verwalten wir die Homepage der Organisation und sind für die Repräsentation auf verschiedenen sozialen Netzwerken verantwortlich.

Ein Mal im Monat veranstalten wir einen „Creative Workshop“ für alle Interessenten, in dem wir die Studenten in größere Aktivitäten miteinbeziehen oder einen interkulturellen Dialog fördern möchten. Als nächstes steht ein Bastelworkshop an: Hier werden viele verschiedene Laternen für das kommende Lichterfest, Diwali, gebastelt, so dass wir schließlich das gesamte VEEF-Gebäude in Laternenlicht erstrahlen lassen. Für die Zukunft stehen noch Themen wie ein internationaler Abend, ein Workshop zum Thema Hygiene, eine Müllkampagne sowie eine große „Teambuilding“-Einheit an.

Damit haben wir euch hoffentlich einen guten Eindruck übermittelt wie unser Arbeitsalltag aussieht. Im nächsten Blogpost werden wir euch unsere Gegend und Lieblingsplätze auf eine besondere Art näher bringen.

Mit den besten Grüßen aus Velankanni!

LiHa